Eines der faszinierendsten Phänomene der menschlichen Sprache ist ihre
hoch-gradige Ambiguität. Zu den wesentlichen Quellen der massiven
Mehrdeutigkeit gehört die strukturelle Ambiguität in der Syntax. Während
selbst die effizientesten Parser aus der computerlinguistischen
Forschung durch stark ambige Sätze deut-lich gebremst werden, bleibt die
menschliche Sprachrezeption von der Fülle der alternativen Lesarten in
der Regel scheinbar unbeeinträchtigt. Ein weiteres Phä-nomen der
menschlichen Sprache, das eine große Belastung für die maschinelle
Syntaxanalyse darstellt, sind die diskontinuierlichen Elemente:
syntak-tisch/semantische Einheiten, deren terminale Kette durch andere
Elemente in meh-rere Teile zerrissen wurde. Solche Sätze werden selbst
dann verwendet, wenn die Grammatik alternative Varianten ohne
Diskontinuität zuläßt. Warum hat die Evolu-tion der menschlichen
Sprachen Komplikationen hervorgebracht, die alle ge-bräuchlichen
Parsingverfahren verlangsamen, und die man beim Entwurf von
Pro-grammier- oder Spezifikationssprachen nie zulassen würde? Mögliche
Antworten auf diese Frage führen zu neuen Parsingmethoden.
Ich will über Ergebnisse in zwei parallelen Forschungsansätzen zur
Lösung des Parsingproblems berichten. Zum einen geht es darum, die
grammatische Verar-beitung mit den fortgeschrittensten linguistischen
Grammatikformalismen und be-stehenden großen Grammatiken endlich
effizient lauffähig und damit in Forschung und Praxis einsetzbar zu
machen. Das ist ein anspruchsvolles ingenieurwissen-schaftliches
Problem. Hier haben wir in einer internationalen Kooperation deutliche
Erfolge erzielen können. Diese Fortschritte bringen uns aber in der
Suche nach dem Wesen der menschlichen Sprachverarbeitung nur sehr
eingeschränkten Nut-zen.
Zum anderen geht es um eine Modellierung der menschlichen
Sprachfähigkeit, die sich weniger von den bestehenden Parsingalgorithmen
für bekannte Klassen von formalen Sprachen leiten läßt als vielmehr von
den beobachteten Effekten bei der menschlichen Sprachverarbeitung. Ich
will zeigen, wie man durch neue Formen der Integration von verschiedenen
empirischen Methoden mühsam aber sichtbar zu immer plausibleren Methoden
der Satzverarbeitung gelangt, die dann als Ap-proximation der
psycholinguistischen Modelle untersucht werden können.
InteressentInnen sind zum Vortrag herzlich eingeladen.